Sira Teil 7: Die Flucht nach Abessinien

 

In Abessinien gibt es einen gerechten König

Verfolgung und Folter in Mekka nahmen ein solches Ausmaß an, dass der Prophet, Gottes Segen und Frieden über ihn, einen großen Teil seiner Gefährten anwies, auszuwandern, soweit sie dazu in der Lage wären. „Geht nach Abessinien, denn bei dem König dort geschieht den Menschen kein Unrecht.“ Abessinien war ein christliches Land. Im Monat Rajab fünf Jahre nach der Berufung (9 v.H.; 614 n.Chr.) machten sich zunächst zwölf Männer und vier Frauen auf den Weg dorthin. Ein Gerücht brachte ihnen jedoch bald die Nachricht, die Koraisch hätten den Islam angenommen und mit dem Propheten gebetet. Sie traten sofort erwatungsvoll und überglücklich die Rückreise an. Den Koraisch war ihre Flucht nicht verborgen geblieben, und so ging es ihnen nach ihrer Ankunft in Mekka nur noch schlimmer.
Sie mussten also wieder auswandern. Beim zweiten Mal waren es etwa einhundert Gläubige, darunter knapp zwanzig Frauen, die sich entschlossen, ihre Heimat für ihren Glauben aufzugeben.
Die Koraisch entsandten gleich eine Delegation zum Negus von Abessinien, die ihm wertvolle Geschenke überbrachte und versuchte, ihn zur Ausweisung der Asylanten zu bewegen. Sie versuchten sie in seinen Augen als Häretiker und Unruhestifter zu diffamieren, die weder der Religion ihrer Väter treu geblieben waren, noch seine angenommen hatten. Außerdem behaupteten sie, dass sie gewaltige Lügen über Maria und Jesus sagten. Der Negus erwies sich jedoch tatsächlich als gerechter Herrscher und ließ die Flüchtigen kommen, bevor er sein Urteil fällte.

Die Muslime und der christliche Herrscher

Er fragte sie nach dieser neuen Religion und ihren Aussagen über Maria. Ja’far sprach für die Muslime: „Wir waren ein Volk, das in Unwissenheit lebte. Wir verehrten Götzen, aßen ihnen geweihtes Fleisch, begingen allerlei Schändlichkeiten und der Starke verschlang den Schwachen. Bis Gott uns aus unseren Reihen einen Propheten schickte. Wir kennen seine Herkunft, seine Wahrhaftigkeit, seine Vertrauenswürdigkeit und seine Integrität. Er rief uns dazu auf, die Einheit Gottes zu bekennen, Ihm allein zu dienen und den Steinen und Götzen abzuschwören, die unsere Götter verehrten. Er wies uns an, die Wahrheit zu sagen, unsere Versprechen zu halten, die Familie und die Rechte des Nachbarn zu achten und Verbrechen und Blutvergießen zu vermeiden.“ Das sei der Grund für die Verfolgung ihres Volkes, vor dem sie in seinen Schutz geflohen seien.

Der Negus fragte nach seiner Offenbarung und forderte Ja’far auf, daraus zu vorzutragen. Ja’far rezitierte einige Verse aus der Sure Mariam:
Und gedenke im Buch der Maria. Als sie sich von ihrer Familie zu einem östlichen Ort zurückzog und sich vor ihr abschirmte. Da sandten Wir Unseren Geist zu ihr, und er erschien ihr in der Gestalt eines vollkommenen Menschen. Sie sagte: "Ich nehme Zuflucht vor dir beim Erbarmer, wenn du gottesfürchtig bist." Er sagte: "Ich bin nur der Bote deines Herrn, um dir einen lauteren Sohn zu schenken." Sie sagte: "Wie soll ich einen Sohn bekommen, wo mich doch kein Mann berührt hat und ich keine Hure bin?“ Er sprach: "So ist es; dein Herr spricht: „Es ist Mir ein Leichtes, und Wir machen ihn zu einem Zeichen für die Menschen und zu einer Barmherzigkeit von Uns. Und es ist eine beschlossene Sache."
Als er ihre Antworten hörte, wurde ihm ihre Unschuld und ihre Redlichkeit klar. Aber auch die Nähe zwischen seinem und ihrem Glauben scheint ihn zutiefst berührt zu haben. Er garantierte ihnen das Asyl seines Landes und unbehelligten Aufenthalt.
Den Diplomaten ließ er ihre Geschenke zurückgeben und schickte sie unverrichteter Dinge nach Hause. Die Auswanderer blieben mehrheitlich in Abessinien bis fünfzehn Jahre später der Prophet vom Feldzug gegen Khaibar zurückkehren würde.

Koraisch warnt die Araber vor dem „Hexer“

Trotz der Diffamierungskampagne der Koraisch, wuchs die muslimische Gemeinde langsam, aber stetig. Die Mekkaner fürchteten um ihren Ruf als Hüter der Ka’ba, der heiligen Stätte der Araber und des Tempels für ihre Hunderte von Götzen. Zur alljährlichen Wallfahrt stellten sie Leute an allen Zugängen zur Stadt auf, die die Pilger vor dem „Verrückten“, „Besessenen“ und „Hexer“ warnen sollten. Sie sollten ihm ja fernbleiben, denn sein Koran könnte die Menschen verhexen. Unter den ärgsten Feinden befand sich nach wie vor sein Onkel Abu Lahab und dessen Frau Umm Jamil. Abu Lahab war einer von denen, die ihm nachstellten, wenn er Fremde, die nach Mekka kamen, zum Islam einladen wollte. Mal wendete er die Leute von ihm ab, mal kam er ihm zuvor und verbreitete Lügen und Misstrauen gegen ihn, mal verfolgte er ihn und bewarf ihn mit Steinen. Auf den großen Märkten von Mekka war die Besessenheit Muhammads und die vermeintliche Gefahr für Geist und Seele, die von ihm ausging, Thema ihrer traditionellen Gedichtsdarbietungen.

Ein Kompromissvorschlag

Die Mekkaner versuchten auch über den Verhandlungsweg, den Propheten, Gottes Segen und Frieden über ihn, zum Einlenken zu bewegen. Sie boten ihm an, seine Religion anzunehmen, wenn er darin nur Raum für ihre Götzen schaffen würde. Ein anderes Mal boten sie ihm an, abwechselnd seine und ihre Götter anzubeten. An dieser Stelle offenbarte Gott die Sure „al-Kafirun“ (Sure 109, „die Ungläubigen“):
Sprich: Ihr Ungläubigen, ich verehre nicht, was ihr verehrt, und ihr verehrt nicht, was ich verehre. Und ich werde nicht verehren, was ihr verehrt habt, und ihr werdet nicht verehren, was ich verehre. Ihr habt eure Religion und ich habe meine Religion.
Als sie einsahen, dass er von seinem Weg nicht abzubringen war, wendeten sie sich wieder an Abu Talib und boten ihm sogar unverhohlen an, ihnen Muhammad im Tausch gegen einen ihrer besten jungen Männer zu seiner Hinrichtung zu übergeben und ihn so los zu werden.