Sira Teil 24: Tabuk

 

Der Prophet ernannte einen Gouverneur für Mekka und begab sich zusammen mit den Ansar und Muhajirun zurück nach Medina. Von dort aus schickte er nun Lehrer und Gesandte zu den verschiedenen Stämmen, die ihnen die Lehren des Islam überbringen sollten.

Als klar wurde, dass der Islam die Araber unter dem Glauben an den einen Gott geeint hatte und dass dadurch eine neue bedeutende Macht entstanden war, waren es jetzt die Großmächte, die auf den Plan rückten. Vor allem die Byzantiner fürchteten um den Abfall ihrer christlichen Vasallenstämme an den nördlichen Rändern der Halbinsel. Dem byzantinischen Kaiser war die negative Wirkung das Patts von Mu’ta nicht verborgen geblieben. Und so musste er aus geostrategischen Gründen seine Vormacht demonstrieren und die Macht des Islam eindämmen, wenn nicht sogar zerstören. Erfahrung bei solchen Auseinandersetzungen mit anderen Großmächten hatten sie bereits zur Genüge mit den Persern gesammelt, die sie nach langen Jahren und vielen Rückschlägen vor kurzem erst endgültig besiegt hatten.

Der byzantinische Kaiser mobilisierte zusammen mit einigen christlich-arabischen Stämmen eine große Armee von 40.000 Mann, die zu einem Feldzug ins arabische Kernland vorrücken sollte, wie ihn die Araber noch nicht gesehen hatten. Doch der Prophet entschied, wie er es in solchen Situation meistens getan hatte: er wollte sie gar nicht erst so weit kommen lassen. Er zog mit einem für arabische Verhältnisse gigantischen Heer von 30.000 Mann nach Tabuk im syrischen Einflussgebiet der Byzantiner und kam dem offenbar behäbigen feindlichen Heer zuvor. Die Wirkung blieb nicht aus. Die Feinde gingen auseinander, noch bevor sie sich recht zusammengeschlossen hatten.

Stattdessen suchten einige arabische und christliche Stämme von sich aus den Propheten in seinem dortigen Lager auf und schlossen mit ihm Friedensverträge, in denen sie seine Vormacht anerkannten, einschließlich der Abführung der jährlichen Djizya. Anscheinend war ihnen die Herrschaft des Propheten lieber als die des byzantinischen Reichs.

Das Jahr der Delegationen

Das Jahr nach Tabuk wird auch das Jahr der Delegationen genannt. Es war das Jahr, in dem von überall her Gesandtschaften zum Propheten kamen, Gottes Segen und Frieden über ihn, um für ihre Stämme die Annahme des Islam zu erklären und ihn um Lehrer zu bitten. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen und aus den entferntesten Gebieten. Viele Araber hatten abgewartet, wie die Auseinandersetzung zwischen Muhammad und den Koraisch ausgehen würde und wollten sich ihm im Falle seines Sieges anschließen. Dabei spielte Opportunismus sicher eine Rolle, aber entscheidend dürfte eher ihr Aberglaube gewesen sein: Wenn die Götzen der Araber doch Götter waren, müssten sie den Koraisch beistehen. Siegte Muhammad, dann mussten sie tatsächlich nur Steinen huldigen und er Gottes Gesandter sein.

Auch die Christen aus dem weitläufigen Gebiet Najran zwischen Mekka und dem Jemen schickten eine große Gesandtschaft. Sie diskutierten lange mit dem Propheten und seinen Gefährten über theologische Fragen, vor allem um das Wesen Jesu. In diesem Zusammenhang wurden dem Propheten einige Verse der dritten Sure (aal imran) offenbart, zum Beispiel folgender:

Siehe, Jesus ist bei Gott wie Adam: Er erschuf ihn aus Erde. Alsdann sprach er zu ihm ‚Sei!’, und er war. (aal imran; 3; 59)

Oder:

Sprich: Ihr Leute der Schrift, kommt herbei zu einem gemeinsamen Wort: Dass wir keinem anderen dienen außer Gott, Ihm nicht beigesellen und wir uns nicht gegenseitig zu Göttern nehmen neben Gott. (aal imran; 3; 64)

Der Prophet rief sie zur Annahme des Islam auf. Doch sie lehnten ab. Die Auseinandersetzung um die Wahrheit war beiden Seiten sehr ernst, so dass die Christen einige Tage blieben. Ihre Gebete verrichteten sie derweil in der Moschee. Sie schlossen schließlich mit dem Propheten einen Schutzvertrag, nachdem sie die Schutzsteuer (Djizya) entrichten mussten und dafür den Schutz der islamischen Gemeinde hinter sich wissen konnten.

Eine sehr große Delegation von mehreren Hundert Menschen kam aus dem Jemen. Sie skandierten „allahu akbar“ und „la ilaha illa llah“, als sie eintrafen. Sie werden beschrieben als „feinfühlig, großherzig, liebenswürdig von großer Spiritualität“. Der Prophet freute sich sehr. In Zusammenhang mit diesem Ereignis wir die Offenbarung der 110. Sure erwähnt:

Wenn die Hilfe Allahs kommt und der Sieg, und du die Menschen in Scharen in die Religion Allahs eintreten siehst, dann lobpreise deinen Herrn und bitte Ihn um Vergebung! Er ist gewiss der, der die Reue gnädig annimmt. (an-nasr; 110; 1-3)

In sehr kurzer Zeit hatte die gesamte Halbinsel entweder den Islam angenommen oder war wie die Christen von Najran Teil des neuen Staates geworden. Arabien war von nun an kein loses Gefüge von Beduinenstämmen, Handelsstädten und Palmenoasen mehr, sondern ein zusammenhängendes Staatsgebiet.