Sira Teil 3: Die Mekkaner
Sira Teil 3: Die Mekkaner
Wenn wir im Rahmen der Sira von den Mekkanern sprechen, dann ist meist der große Stamm der Koraisch
gemeint. Sie sahen sich als Abkömmlinge von Ismael und seinem Vater Abraham. Nach ihrer Tradition, die vom Koran bestätigt werden würde, hatten diese beiden Propheten die Ka’ba, das Zentrum und die
Grundlage ihrer Stadt, für die Anbetung des Einen Gottes erbaut. Sie nannten die Moschee immer noch das „Haus Allahs“, obwohl sie ihnen vor allem als Tempel zur Anbetung von zahlreichen Götzen
diente, die sie als Seine Töchter oder als Mittler zwischen ihnen und Gott betrachteten.
Der Götzendienst war denn auch ihre Religion und bestimmte ihren Kult. Um die Ka’ba herum sollen mehr als 300 Götzen gestanden haben. Oft waren es Schutzpatronen einzelner arabischer Stämme oder
Familien, von denen sie dort Abbilder aufgestellt hatten, um ihnen bei der Wallfahrt zu huldigen. Götzen standen allerdings nicht nur in der Moschee, sondern natürlich auch in den Privathäusern und
an anderen Plätzen. Ihnen wurden Opfer dargebracht, auf sie wurde geschworen und sie wurden um ihre Gunst und Fürsprache bei Gott angebetet.
Die Hunafa'
Einige wenige misstrauten dieser Götzendienerei zutiefst. Sie sehnten sich nach der wahren Religion Abrahams und suchten nach seinen Lehren. Sie stellten ein kleines, unauffälliges Phänomen dar, das
sich über die Jahrhunderte erhalten hatte. Die historischen Quellen berichten von sehr wenigen Männern, die diesen Weg gingen. Sie bildeten keine Gemeinschaft, sondern waren Einzelgänger, so genannte
Hunafa’, d.h. Suchende, die sich jeweils allein auf den Weg machten. Ihr Wegbegleiter war dabei nur ihre innere Stimme. Das Christentum und das Judentum waren den Hunafa’ nicht unbekannt. Der Onkel
von Khadija kannte sogar die heiligen Schriften der Christen.
Die Ka'ba
Die Ka'ba als zentrales Heiligtum der arabischen Halbinsel verschaffte Mekka eine unanfechtbare Stellung im Handel mit Waren aus Arabien, Syrien und dem Jemen. Im Sommer und im Winter unternahmen sie
jeweils mit großen Karawanen Handelsreisen in den Süden und in den Norden. Ein weiterer unschätzbarer Vorteil der Ka'ba bestand darin, dass alle Araber es als kriegsfreien Ort ansahen. Die Mekkaner
konnten, anders als die umliegenden Beduinenstämme oder auch die befestigten Städte und Datteloasen, vor Angriffen auf die Stadt ziemlich sicher sein. Sie mussten lediglich ihre Karawanen und
Handelsstraßen beschützen. Der Koran würde sie an diese vorteilhafte Situation erinnern:
Für die Vereinigung der Koraisch, ihre Vereinigung zur Reise des Winters und des Sommers, sollen sie dem Herrn dieses Hauses dienen, der ihnen Speise gegen den Hunger gibt und Sicherheit gegen die
Furcht gewährt. (Sure Koraisch; 106; 1-4)
Stammesverbund und Stammesloyalität
Die Stadt war in Stammesverbänden organisiert. Die Oberhäupter der einzelnen Stämme berieten sich in den gemeinsamen Angelegenheiten der Stadt, wobei der Einfluss der einzelnen Oberhäupter von der
Stärke ihrer Hausmacht, d.h. von der wirtschaftlichen und militärischen Macht des eigenen Stammes, bestimmt wurde. Letztere wurde vor allem durch die Zahl der waffenfähigen Männer des Stammes
bestimmt. Der Reichtum an männlichen Nachkommen bestimmte also maßgeblich den Stand und das Ansehen der Familie und natürlich auch der Mutter. Eine Frau, die keine Söhne gebar, konnte hingegen
schnell in Ungnade fallen. Mädchen waren als Nachkommen unbeliebt. Es kam auch vor, dass ein Mädchen von ihrem Vater umgebracht wurde, oft durch das Begraben bei lebendigem Leibe. Der Koran würde
später die Mekkaner oft wegen dieses unsäglichen Brauchs ermahnen, z.B. in der folgenden Stelle:
Wenn einer von ihnen von der Geburt eines Mädchens benachrichtigt wird, verfinstert sich sein Gesicht und er unterdrückt seinen Schmerz. Er verbirgt sich vor den Leuten aufgrund der schlimmen
Nachricht: Solle er es nun trotz der Schmach behalten oder es im Boden verscharren? Übel ist, wie sie da urteilen. (Sure an-Nahl; 16;59)
So wie die einzelne Familie absolut loyal zum eigenen Stamm war, so stand auch der Stamm für die Familie ein. Wenn ein Familienvater beispielsweise starb, war die Fürsorge für seine Kinder
selbstverständliche Pflicht des Stammes. Seine Frauen konnten dann auch von einem der verwandten Männer geerbt werden, mitunter auch gegen ihren Willen. Dies schloss allerdings nicht aus, dass die
Frauen selbständig sein konnten und durchaus auch wirtschaftlich und politisch Karriere machen konnten. Das Stammesbewusstsein war sehr stark ausgeprägt. Auseinandersetzungen zwischen zwei Männern
aus unterschiedlichen Stämmen konnten so schnell zu Angelegenheiten beider Stämme werden und schlimmstenfalls sogar blutige Fehden auslösen.